Waschen, schneiden, legen

Für eine Bekannte, die die Frisöse meines Freundes Jörg ist, gibt es einen Auftrag: die komplette Überholung des Familienerbstückes Graetz 168W. Vermutlich stand es lange Zeit irgendwo trocken, aber staubig in einer Ecke und der Zahn der Zeit nagte am Radio und hinterließ seine Spuren. Hier hilft nur eine Komplettlackierung, da schon große Teile des originalen Lackes fehlen. Auf den ersten Blick wirkt das Radio etwas traurig, aber man merkt direkt, dass der typische Charme der 50er Jahre in diesem Radio schlummert, er muss nur wieder erweckt werden.

Graetz 168W

Graetz 168W

Graetz 168W

auf dem hellen Fleck stand bestimmt der Blumentopf;-)

Der Blick ins Gehäuse zeigt das übersichtliche Chassis, viel Schickimicki wurde nicht verbaut, UKW besitzt keine Vorstufe.

Graetz 168W

Chassis vom Graetz 168W

Und schon auf dem Tisch:

Graetz 168W

staubige Angelegenheit

Leider hatte es im Tastensatz einmal gebrannt, das Pertinax war verkohlt und ein Schaltkontakt am UKW-Schieber hing lose herum. Ich habe, so weit es ging das verkohlte Pertinax gesäubert und dann mit der Heißklebepistole den Schaltkontakt wieder fixiert. Wollen wir hoffen, dass es so viele Jahre hält.
Leider wurde auch schon am UKW-Tuner gebastelt. Ein Widerstand wurde verbaut und daher konnte die Abdeckkappe auch nicht mehr befestigt werden, sie lag dem Radio auch nicht mehr bei. Ich hoffe, dass die HF-Störungen sich beim UKW-Empfang in Grenzen halten.

Graetz 168W

fehlende Tuner-Abdeckung:-(

So, sämtliche Kondensatoren/Elkos erneuert, den Topfelko habe ich neu befüllt, den Gleichrichter ersetzt und das ganze an unsere 230V Netzspannung durch Vorwiderstände angepasst.

Graetz 168W

Alles muss raus!

Inzwischen hat Jörg das Gehäuse überarbeitet: den alten Lack entfernt, neue Zierstreifen aufgeklebt und das Gehäuse 30 mal mit Hartöl und Ballen überzogen. Ich habe dann die Schallwand und die Messingteile gereinigt und das ganze wieder zusammengebaut.

Graetz 168W

Graetz 168W

Graetz 168W


 

Auf Grund dieses Artikels wendete sich Herr Naumann, ebenfalls Besitzers eines Graetz 168W an mich, ob ich denn sein Radio, welches aus seinem Familienbesitz stammt, nicht auch überholen könnte. Fast lief die Arbeit an seinem Graetz parallel zum anderen oben erwähnten Gratz.
Hier der Ausgangszustand, interessant finde ich, dass beim selben Typ unterschiedlicher Schallwandstoff verwendet wurde.

Graetz 168W

Ausgangszustand

Graetz 168W

Macken im Lack

An Herrn Naumanns 168er gibt es auch eine gut erhaltene Rückwand:

Graetz 168W

Rückwand

Das Prozedere ist wie oben, kritische Bauteile ersetzt, Gleichrichter durch Si-Gleichrichter ersetzt und die Spannungen angepasst. Weil es einfacher ist, Sieb- und Ladeelko am originalen Platz zu belassen und nicht irgendwo unters Chassis zu klemmen, habe ich das Topfgehäuse aufgeschnitten, mit neuen Elkos befüllt, verschlossen und beschriftet.

Graetz 168W

Skalenschirm & Tasten gereinigt

Graetz 168W

rechts die Hochlastwiderstände

Graetz 168W

Alles fertig!

Ich habe den alten Lack entfernt und anschließend 3 Schichten Kunstharz-Lack aufgetragen. Vorher natürlich nicht vergessen, neue Zierstreifen zu kleben.

Graetz 168W

neuer Glanz

Graetz 168W

Messing poliert und mit Zapon versiegelt

 

Technische Daten:

Produktionsjahr 1954/1955
6 Röhren: EC92, ECH81, EF85, EABC80, EM80, EL41
6 AM-Kreise + 8 FM-Kreise
1 Lautsprecher, 6 Watt
Gehäuseabmessungen (BHT) 534 x 340 x 250 mm, 10 kg
Originalpreis damals 265.- DM

Hier der Schaltplan als pdf – Danke Volker!

5 Beiträge zu “Waschen, schneiden, legen”

  1. Diogenes sagt:

    Na, na, na !
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    „Friseuse bzw. Frisöse“! Das sagt man doch heute nicht mehr ! Das heißt doch jetzt „Frisörin“. Hmm …, wo der große Unterschied sein soll, erschließt sich mir allerdings auch nicht so recht …
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    Tja, der kleine GRAETZ. Natürlich ist das kein Großsuper, aber dennoch klanglich nicht zu unterschätzen. Damals hat nahezu jeder Radiohersteller Geräte dieser Kategorie hergestellt, wie z.B. AEG, Telefunken, Grundig etc.
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    Diese relativ kleinen Empfänger waren auch nicht dazu gedacht, um Turnhallen oder Orchestersääle zu beschallen. Dafür gabs ja die „Großen“.
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    Mit der EL41 als Endröhre (Lautsprecherröhre) ist dieses Gerät recht mager in Sachen Leistung. Die EC92 als einzige UKW-Röhre ist auch nicht grade der große „Burner“ und sehr wahrscheinlich auch schon ziemlich schwach. (Bitte messen mit W19, unter 80% siehts schlecht aus in diesem Falle !)
    .
    Aber der für diese Verhältnisse recht groß bemessene Breitbandlautsprecher bringt im Zusammenhang mit dem Gehäuse einen recht ordentlichen Klang zustande, vorausgesetzt die Endröhre hat noch Kraft genug.
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    Dieses Radio ist, wenn es gut überarbeitet worden ist, ein schönes Gerät mit sehr gutem Klang für kleinere Räume wie Schlafzimmer, größere Küchen u. Dielen, Gästezimmer etc. zur musikalischen Untermalung.
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    Der Anschluß externer, moderner Tonquellen ist jederzeit und ohne Eingriff in das Gerät über den PHONO-Eingang möglich.
    .
    Viel Spaß beim Überholen, Tilo ! Sie machen das schon, so wie ich Sie kenne !
    .
    Gruß aus dem …

  2. Diogenes sagt:

    Hallo lieber Tilo,
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    gibts inzwischen Erfolge zu verzeichnen bei der Renovierung dieses schönen Oldtimers?
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    Wann wird er denn den Salon der „Frisörin (Friseuse)“ beschallen können?
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    Oder gibts „Stolpersteine“ im elektronischen Bereich? Etwa UKW oder Endstufe?
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    Einfach mal melden; wäre schön.
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    Viele Grüße aus der Radioschmiede …

    1. Tilo sagt:

      Hallo treuer Diogenes,
      dass die Überholung des Graetz etwas ins Stocken geraten ist, liegt am schönen Sommerwetter, welches aber ja nun sich langsam verabschiedet und somit wieder Zeit für Indoorakivitäten kommt. Die Kondensatoren und Elkos sind zu 80% schon erneuert und beim Probelauf wird der Gleichrichter handwarm. Da werde ich dann durch Messen entscheiden, ob ich den auch ersetze.
      Beste Grüße
      Tilo

      1. Diogenes sagt:

        Hallo unbezahlbarer Tilomann,
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        danke für die schleunige Antwort. So muß es sein unter „Radio-Schmieden“, gelle ? 😉
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        Schön zu hören, daß Ihnen die sommerlichen Tage gefallen haben. Ich jedoch bin da nicht mehr so gut drauf zu sprechen; schon garnicht bei nahezu 90% rel. Luftfeuchtigkeit unter einer Temperatur von 32 Grad im Arbeitszimmer ! Nee, nee … das is nix mehr für den alten Mann.
        .
        Zum Objekt: Ein handwarmer Gleichrichter kann immer noch in Ordnung sein. Jedoch würde ich mal die EL41 auf dem FUNKE-W19 einer Prüfung unterziehen; diese Röhren haben gerne schon mal VAKUUM-Verlust, wodurch der Anodenstrom stark anschwellen kann. Das belastet das Netzteil stark. Machen Sie also mal einen VAKUUM-Test mit dieser Röhre, um Aufschluß zu bekommen.
        .
        Wenn das auszuschließen ist, und der Fehler im Gleichrichter vermutet werden sollte, sollten Sie wie folgt vorgehen, um den subjektiven Zustand des Gleichrichters festzustellen:
        .
        1.) Schließen Sie ein geeignetes Voltmeter an den Pluspol des Gleichrichters an und prüfen Sie die Spg. Stimmt die Spg. mit dem Schaltplan etwa überein? Das überarbeitete Gerät mit (nachweislich !) guten Röhren bestückt, eine gute NF-Quelle anschließen und das Gerät auf eine große Lautstärke einstellen. Stimmt die Spg. immer noch? Wenn „Ja“, weitermachen. Wenn „Nein“, Gleichrichter wechseln.
        .
        2.) Wenn „Ja“: Nun ist es wohl ein Höllenlärm in der Werkstatt. Weil das kaum zu ertragen ist, machen Sie jetzt folgendes: Sie lassen die Tonquelle und den Lautstärkeregler des Gerätes unberührt, schalten das Gerät ab und ersetzen den Lautsprecher durch einen (10Watt) Widerstand, der dem Widerstand des Lautsprechers entspricht. Ist der Widerstand des LS unbekannt, kann man diesen mit einem Ohm-Meter feststellen, den ermittelten Wert mit „1,25“ multiplizieren. Dann haben Sie ungefähr den Wert des „Künstlichen Lautsprechers“. Schließen Sie diesen Widerstand anstelle des LS an den Ausgang des Radios an, schalten Sie es ein. Überwachen Sie die Plusspg. u. gleichzeitig die Erwärmung des GL. Wenn das über eine Zeit von ca. 20…30 Min. spannungsverlustfrei funktioniert, dürfte der GL in Ordnung sein. Sinkt die Spg. bei gleichzeitig starkem Wärmeanstieg, so wird der GL schadhaft sein u. muß ersetzt werden.
        .
        Na dann ! Wird schon werden …
        .
        Gruß aus dem Faß

  3. George Gherghinescu sagt:

    Wundervolle Arbeit. Ich möchte Ihnen für die hochwertigen Bilder und die Tipps danken. Ich bin beeindruckt von den Holzarbeiten die sie machen, ich kann den Hochglanz nicht richtig machen, wie bekommt man so gute Ergebnisse mit dem Lack. Vielen Dank. George Röhrenradioliebhaber aus Romania 🙂

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